Ziemlich beste Freunde für ein Jahr
Möööööööööööp! Verdammt, es ist 3:42 und ich werde unsanft von dem Rufgerät in meinem Zimmer geweckt. Völlig schlaftrunken und wie fremd gesteuert taumele ich in das Nachbarzimmer.
Zwischen einem Kopfkissen und einer Decke begraben ragt eine Nase empor. „Kannst du die Decke etwas runter ziehen? Mir ist warm.“ „Mmmh, so?“ „Ja, danke. Bis später.“ „Mh, Tschau.“
Ich falle wieder in mein Bett und bin 2 Minuten später wieder tief und fest am Schlafen. Wenn man mich morgens nach der Nacht fragen würde, ich wüsste nicht was ich gemacht habe.
Die Nase gehört Michael, bei dem ich meinen Bundesfreiwilligendienst ableiste. Kurz gesagt ersetze ich die Hände von Michael, die er seit einem Autounfall und einer damit einhergehenden Querschnittslähmung nicht mehr benutzen kann.
Der Tag startet mit der „Katzenwäsche“, die aber viel länger dauert, denn jede Körperbewegung wird von mir für ihn übernommen. Meist ist die morgendliche Routine gegen 10 Uhr beendet, Ich bringe ihn zu seinem Arbeitsplatz, der im selben Gebäude liegt wie die Wohnung.
Durch Sprachsteuerung und kleinen Hilfswerkzeugen an den Händen kann er selbstständig am Computer arbeiten und ist nicht mehr auf meine Hilfe angewiesen.
Wenn ich alle anfallenden Haushaltsarbeiten erledigt habe, kann ich bis zum Abend nach Hause.
„Die Lebensfreude, die er dabei ausstrahlt ist echt abfärbend und zeigt mir oft wie klein meine eigenen Probleme doch sein können.“
Oft unternehmen wir abends etwas, gehen z.B. essen, ins Kino, auf Konzerte oder treffen uns mit Freunden. Das sind die Momente, die mir am meisten Spaß machen, denn in den Situationen spielt es keine Rolle, ob man eine Behinderung hat oder nicht. Oft vergesse ich dann sein Handicap und wundere mich im Restaurant, warum er nicht anfängt zu essen, während ich schon fast fertig bin. Michael hadert nicht mit seiner Situation und lässt sich auch nicht einschränken. Es ist eben doch noch viel mehr möglich als man denkt, es dauert alles nur etwas länger.
Ich habe mich für einen Bfd entschieden, weil ich mich sozial engagieren wollte und ich der Ansicht bin, dass ich noch mehr als genug Zeit habe einer festen Arbeit nach zu gehen. In dem Jahr habe ich viele neue Erfahrungen gesammelt und ein Stück weit eine neue Sicht auf das Leben bekommen.
Ich empfehle jedem, der die Möglichkeit dazu hat, einen Freiwilligendienst zu machen, dies auch zu tun, denn die Erfahrungen bleiben für immer.
Max Rietzler